two women sitting next to each other. One person wears a medical mask

Die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf das Leben von Menschen mit Behinderungen weltweit wurden kaum berücksichtigt. Trotz der verheerenden Folgen, die die Pandemie auf alle und besonders auf Menschen mit Behinderungen hat, zeigte sich auch: Es lohnt sich, Menschen mit Behinderungen stärker in die Krisenbewältigung einzubeziehen.

Die Pandemie hat viele Staaten und ihre Gesundheitssysteme unvorbereitet getroffen, und in großer Eile mussten Eindämmungsmaßnahmen diskutiert, erlassen und wieder korrigiert werden. Die wirtschaftlichen Einbrüche, die Schließung von Bildungseinrichtungen und ein überfordertes Gesundheitssystem treffen besonders diejenigen, die bereits vor der Pandemie gesellschaftlichen Ungleichheiten ausgesetzt waren – überall auf der Welt.

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„Die Covid-Situation war besonders schwer für Menschen mit Behinderungen“, erklärt Lika aus Georgien, die als Model mit Behinderung für das Textilunternehmen Kombinizona arbeitet. „Gerade weil wir versuchen, immer aktiv zu leben. Genau das ist uns weggenommen worden. Ohne Beschäftigung zu Hause zu sitzen ist der schlimmste Zustand.“

Auch Asia Yaghi, Mitglied des Obersten Rates für die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Jordanien und Gründerin der Organisation ”I am Human Society for Rights of People with Disabilities“, betont : „Es gibt viele Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, die das Haus verlassen müssen, um zum Rehasport oder zur Physiotherapie zu gehen.“ Was aber, wenn man das nicht mehr kann, weil die Einrichtungen alle geschlossen sind? „Das hat viele Probleme verursacht“.

Leerer Klassenraum an der University of Winneba, Ghana

Leerer Klassenraum an der University of Winneba, Ghana

Eine weitere Herausforderung in der Pandemie stellen lebenswichtige Hygieneinformationen von staatlichen Einrichtungen dar, die für Menschen mit Behinderungen oft nicht zugänglich sind. Barrierefreie Kommunikation ist deshalb für Gertrude Oforiwa Fefoame aus Ghana ein zentrales Anliegen. Fefoame hat selbst eine Sehbehinderung und ist eine der führenden Stimmen Ghanas zu den Themen Behinderung und Frauenrechten.

Als gewähltes Mitglied des Ausschusses der Vereinten Nationen für das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, setzt sie sich auf höchster internationaler politischer Ebene für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein. Wie man Informationen für alle zugänglich mache, sei in Ghana zu Beginn der Pandemie kein Thema gewesen, berichtet sie.

„Ich erinnere mich an einen TV-Spot, eine Anleitung, wie man sich gründlich die Hände wäscht, um potenzielle Viren abzutöten. Dieser Spot war fast nur visuell, ohne eine Audiobeschreibung. Ich musste meinen Mann fragen, worum es dort ging. Zum Glück erzählte er mir, dass ich mir schon immer die Hände gemäß der Anleitung gewaschen habe“, erzählt Gertrude mit einem Augenzwinkern.

Maclean Atsu Dzidzienyo, Sportler mit Behinderungen aus Ghana, beim Händewaschen

Maclean Atsu Dzidzienyo, Sportler mit Behinderungen aus Ghana, beim Händewaschen

Der Umgang mit der Pandemie deckt Chancen für ein inklusives Zusammenleben auf

Doch auch während der Pandemie haben Aktvist*innen wie Gertrude immer wieder das Bewusstsein für eine inklusive Gesellschaft geschaffen. So habe sie dafür gesorgt, dass Regierungsvertreter*innen in Ghana Pressekonferenzen mit Gebärdensprachdolmetschern abhalten.

Durch eine gute Vernetzung mit der Zivilgesellschaft ist es ihr außerdem gelungen, Informationen für viele Menschen mit Behinderungen zugänglich zu machen. So erstellte die World Blind Union wichtige Dokumente zur Pandemie in Brailleschrift, die umgangssprachlich auch als „Blindenschrift“ bezeichnet wird. Solche Erfolge stiften Hoffnung.

Strategien zum Umgang mit der Krise stellen gleichzeitig eine Chance für eine inklusivere Gesellschaft dar. Die während der Pandemie entwickelte Homeoffice-Kultur und der verstärkte Einsatz digitaler Technologien haben Menschen mit Behinderungen zahlreiche Möglichkeiten eröffnet, an der Gesellschaft teilzuhaben. Für viele von ihnen ist ein Arbeiten im Homeoffice immerhin eine Alternative zum Arbeiten in nicht barrierefreien Büros.

Auch Maha Al Bargouthi, paralympische Goldmedaillengewinnerin aus Jordanien, konnte dem Umgang mit der Pandemie zumindest etwas Positives abgewinnen: „Die Pandemie hat uns zusammengeschweißt. Die Menschen in unseren Gemeinden und besonders die Sportler*innen haben zusammengearbeitet. Sie haben ihre Trainings von zu Hause in die sozialen Medien übertragen. Das hat vielen Jordanier*innen Zuversicht gegeben. Nichts kann sich uns in den Weg stellen, wir bleiben stark!“ Das sei die Botschaft, die die Athlet*innen vermitteln wollten.

Training von Sportler*innen mit Behinderung in Amman, Jordanien © GIZ / Dina Naser

Training von Sportler*innen mit Behinderung in Amman, Jordanien © GIZ / Dina Naser

Und was kommt nach der Pandemie? Inklusion nach der Krise

„Mit den Einschränkungen durch die Pandemie kam auch ein größeres Bewusstsein dafür, dass Menschen mit Behinderungen überall miteinbezogen werden müssen“, meint Thomas Ongolo, Regionalberater für Afrika im Globalprojekt Inklusion von Menschen mit Behinderungen der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Dass in Zukunft auch die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen mitgedacht werden, sei seine Hoffnung. Doch welche Maßnahmen werden benötigt, um Menschen mit Behinderungen, immerhin 15 Prozent der Weltbevölkerung, besser in Krisen wie der Pandemie zu berücksichtigen?

Maha Al Bargouthi beaufsichtigt das Training © GIZ / Dina Naser

Maha Al Bargouthi beaufsichtigt das Training © GIZ / Dina Naser

Die Antwort lautet Disability Mainstreaming. Der Begriff bedeutet, dass unterschiedliche Lebenskontexte von Menschen mit Behinderungen und ihre Bedarfe überall mitgedacht werden müssen.

Dazu aber brauche es ein Bewusstsein dafür, was diese Bedarfe eigentlich sind, betont Revanthy Rugmini, die bei der britischen Nichtregierungsorganisation (NGO) Leonard Cheshire arbeitet und sich weltweit für die Belange von Menschen mit Behinderungen einsetzt. „Inklusion muss aus politischer und operativer Sicht stärker in den Mittelpunkt gerückt werden“, fordert sie. Es gebe keinen Aspekt des Lebens in der Gemeinschaft, der Menschen mit Behinderungen nicht direkt betreffe.

Der sinnvollste Weg, um den Ansatz des Disability Mainstreamings umzusetzen ist daher die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in Entscheidungsprozesse und Machtpositionen. Es gibt eine Vielzahl von Selbstvertretungsorganisationen, die über enorme Ressourcen und Wissen verfügen. Diese an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen zu beteiligen, führt dazu, dass in Krisen wie der Covid-19 Pandemie Niemand zurückgelassen wird.